Sonntag, 9. Februar 2014

(9.1.2014) Real-Live und Liquid / Feuer und Wasser

(vorheriger Beitrag: http://piratenzeit.blogspot.co.at/2014/02/1612014-hinterzimmerpolitik-20.html)
533. Tag: Mit diesem Posting schloss ich eine Woche vor dem Allianz-Beschluss meine Analyse der Auswirkungen von fast eineinhalb Jahren bindender Online-Mitbestimmung ab. Die sogenannte ständige Mitgliederversammlung hatte unsere Aktivitäten abseits des Netzes fast vollständig zum Erliegen gebracht. Es gab zwar fünfhundert Leute die im Online-Tool angemeldet waren, aber für einen alleinigen Antritt zur EU-Wahl hatten sich trotz verzweifelter Aufrufe unseres Bundesvorstand vor Jahresende 2013 nur sehr wenige gemeldet.  
(Noch eine kurze Abkürzungs-Erklärung: BGV = <Bundesgeneralversammlung>,  BV=<Bundesvorstand>, m=<Mitglied des>, GO=<Gechäftsordnung>, LQFB=Liquid Feeddback / Online-Meinungsfindungstool)


(Quelle:  https://forum.piratenpartei.at/thread-10897.html)
Ich weiß dass ich mir auch mit diesem Artikel nicht besonders viele Freunde in der AG-Liquid machen werde. In den letzten acht Wochen habe ich in vielen Facetten Schwachstellen und Wiedersprüche zu unserer Ausprägung von "Liquid Democracy" namens Liquid betrachtet :
Liquid gehört Lava? , Unnötige Initiativen und die Verantwortung von Stimmgewichten, Offline-Delegationen. Ja natürlich! Aber wie?, Sind Kettendelegationen doch beschränkbar?, Das Betriebssystem einer Partei, Klarnamen oder Pseudonyme? / Das unlösbare Dilemma der "Liquid Democracy", Delegationen wegrechnen? und Das Prinzip Rechtsfreiheit in Liquid und Urheberrecht
Aufgrund dieser kritschen Betrachtung habe ich einen nicht mehr so guten Ruf bei einigen Pirats. Aber es geht auch nicht um Rufwahrung, sondern um die Zukunft der Partei. Und daher ist es letztlich egal, was es für mich bedeutet.

Wir nähern uns jetzt nicht nur der BGV, sondern auch dem Ende meiner Überlegungen zu diesem Thema. Dieser Beitrag soll etwas behandeln, was für unsere Partei essentiell ist.

Es stimmt es gibt kein perfektes System und danach zu streben, ist genauso kontraproduktiv wie ein sich entwickelndes System am Grad solcher Perfektion zu messen. Aber es gibt eine Gradmesser für die Sinnhaftigkeit eines Systems. Und das ist das Ergebnis, dass es erzeugt. Unsere Reinform dieser Methotik "Liquid", hat leider keine Guten erbracht.

Denn wenn eine Partei zwar über 1000 Mitglieder, aber nur 134 Zahlende (Stand heute 9.1.2013), dann stimmt etwas nicht.
Wenn Arbeitgruppen nach und nach die Arbeit einstellen oder nach kurzer Zeit wieder aufgeben, wenn mBVs händeringend nach Erklärungen dafür und Lösungen suchen und die aktivste AG diejenige ist, die das Werkzeug Liquid betreut. dann ist etwas ganz und gar nicht ok.
Und wenn sich bei der Wahl nachdem dutzende Leute die 2600 UEs gesammelt hatten, sich aus den damals am 1.9 fast 400 Usern in unserem Tool keine weiteren Mitstreiters im Wahlkampf gefunden haben, obwohl sie dazu sogar beim Eintritt persönlich aufgefordert wurden (nicht nur dieses Usere, sondern dutzende andere auch) ihrer Partei beizustehen, dann ist es leicht erkennbar, dass hier etwas ganz im Argen liegt.

Aber was? Führt man sich vor Augen wie "Liquid" funktioniert wird es ganz klar. Wozu benötigt man in einem System in dem über Anträge im Online bindend abgestimmt wird, Arbeitsgruppen? Ein Spruch eines Mitglieds:
Zitat:
Eh wozu eine AG machen, da kommen dann Leute zusammen, die miteinander reden alle beschweren sich dass es nicht transparent genug ist, dass die nicht eingebunden werden, ich muss alle Leute auf den selben Wissensstand bringen den ich habe und kann danach erst beginnen über die Themen zu reden die mir wichtig sind und im Endeffekt bedeutet das dann nicht einmal dass die Themen Gehör finden weil andere Leute das Thema dann überstimmen können
Wozu sollte man sich auf Infoständen oder Flashmops den A...h abfrieren, wenn die Partei ganz einfach auf Knopfdruck auf den richtigen Kurs den man möchte gebracht werden kann. Wozu sich mit anderen Leute streiten, wenn man jede Idee die einem in der Früh im Bauch drückt, ganz einfach rauslassen kann und man dadurch beschwingt und befreit zur Arbeit geht?

Stellt man sich "Liquid Democracy" in einem Staat vor, dann sind nur noch Onlineaktivitäten erforderlich, es benötigt keine Wahlkämpfe mehr, die Menschen werden durch Argumente, Vertrauen oder Manipulation dazu gebracht ihre Delegationen zu verteilen oder stimmen selbst ab. Ziehen Delegationen wieder zurück und verteilen sie neu. Infostände heutzutage erreichen 100, vielleicht 1000 Leute. Ein Twitter-Account 10.000 der Leute die in "Liquid Democracy" auch abstimmen würden, wenn man den gut aufgebaut hat. Die Parteiarbeit löst sich auf in Gruppeninteressen, die für eine jeweilige Durchsetzung einer Idee zusammenfinden. Offline, Stammtische sind da nur noch "Steinzeit"

Aber wir haben keinen Liquid-Democracy Staat. Wir haben ein repräsentatives, in Ausnahmefälle durch Volksabstimmungen direkt demokratisches System mit periodischen Wahlkämpfen, wo die Leute überzeugt werden müssen physisch ihre Unterschrift zu leisten und sich persönlich in die Wahlkabine zu begeben (und nicht einfach nur zu delegieren) Und deswegen sind wir erfolglos geblieben. Diese bittere Wahrheit will nicht zur Kenntnis genommen werden.
Es wird noch immer geträumt von der tollen Mitmachqualität die wir haben. Ja haben wir. Viel mehr als andere. Online! Liquidnutzers! Nur hilft uns das in den Wahlkämpfen wie dem jetzt anstehenden EU-Wahlkampf gar nichts.
Was uns in die politischen Bedeutungslosigkeit geführt hat, ist ganz einfach. Immer weiter fortschreitende Inaktivität im realen Leben aller Mitglieder, aufgrund der sofortigen bindenden Wirkung von Liquid bei allen Beschlüssen ohne dass auch nur irgendeine Verantwortlichkeit dafür zur Durchführung oder überhaupt eine Zuständigkeit für Programmpositionen definiert wurde. Bei Satzung und GO hat dies die unangenehme Wirkung das der Eindruck entsteht, es würden anonyme Mengen von Parteimitgliedern über die bestimmen, die bereit sind sich auf die Strasse zu stellen.
Durch die Bindung muss niemand mehr vom Bildschirm weggehen um die Partei in ihrem Sinne zu beeinflussen. Es reicht den Stimmenzuwachs bei sich zu erreichen oder sonstwie genügend Leute zu überzeugen, damit die Vorstellung für die Partei verpflichtend wird.

Dies zu beheben bedeutet von diesem Weg wieder Abstand zu nehmen, den Arbeitsgruppen echte Aufgaben zuzuweisen, Liquid (oder falls das beschlossen würde auch LQFB) in geordnete Abläufe einzubetten, die Anreize schaffen wirklich tätig zu werden und die Beschlüsse auch tatsächlich umzusetzen, eine politische Bedeutung in Medien und Öffentlichkeit zu verschaffen. 

Meine Kommentare:
c3o schrieb:  
Funktionierende Crews sind m.E. das am akutesten fehlende Element. Wer die Inhalte der Piratenpartei wirklich voranbringen will, meldet sich vom Forum ab und gründet eine Crew, die ein Mal in der Woche gemeinsam auf die Jetzt-Seite schaut und gemeinsam in produktiver und wertschätzende Atmosphäre etwas sinnvolles tut.
Bin genau deiner Meinung. Aber statt wieder was über Liquid versuche zu reparieren, das selbst darin einen Großteil der Ursache hat, denke ich es wäre besser Abläufe zu schaffen , die AGs echte Aufgaben zuordnen , solche bei denen die AGs dann selbst interessiert sind aktiv zu sein.
Und ich bin auch deiner Meinung, dass der Kommunikationsprozess stark verbessert gehört. Nur im Forum werden keine bindenden Beschlüsse gefasst, aber sehr viel auch über diese diskutiert. Und über alles mögliche sonst. Warum aber sollte jemand in eine AG gehen, wo doch es ausreicht eine Ini einzureichen (bei genügend Stimmgewicht ist es nichtmal notwendig Unterstüzers zu gewinne), anzudiskutieren solange man Lust hat und Wochen später wird sowieso abgestimmt. Wenn es dann eine halbwegs taugliche Idee war, wird es auch gleich bindend?
Wozu wöchentlich oder periodisch treffen, mühsam im Mumble oder Real-Live versuchen Kompromissstandpunkte zu finden? Kratzt doch eh keinen.

Deine Idee des AG-Accounts behebt da leider gar nichts, weil damit nur noch mehr Streitigkeiten entstehen werden. Ist die AG aktiv? Was macht sie? Wieso hat AG-Liquid überall in allen Themengebieten soviele Delegationen , usw.

MeyGee schrieb:  
und an sich ist es ein sehr einfacher Mechanismus, der da arbeitet.
Ja ist richtig. Ist ganz einfach. Unsere Parteipolitik wird vom Computer aus gemacht. Daher ist jede Aktivität die sich nicht auf Liquid konzentriert, sinnlos, weil wirkungslos.
Wer jetzt auf die BGV fährt um Anträge abzustimmen, (sofern nicht BGV-Beschlüsse dort bindend bis zur nächsten BGV gemacht werden), macht das umsonst, weil z.B: 46 Taqe später jeder sonstige Beschluss dort aufgehoben werden sein kann. Wozu dann hinfahren? Um Leute zu wählen, die sowieso das tun müssen was in Liquid beschlossen ist? (Fernsteuerung)

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